Über Raum.Zeit.Kunst

Mit „RaumZeitKunst“ verbindet der Kunstverein Friedberg e.V. sowohl einen kulturellen als auch einen sozialen Anspruch: Leerstand ist eine Chance, kein Problem. „RaumZeitKunst“ ist der kreative Brückenschlag – bis jemand diese Chance ergreift. Die Komponente „Zeit“ macht die einzelnen Kunstprojekte besonders interessant: Denn weder die Künstler noch die Organisatoren wissen, wie lange eine Installation Bestand haben wird – sobald ein neuer Mieter gefunden ist, endet die Kunst. „RaumZeitKunst“ ist als Open-Source-Projekt angelegt. Friedberg dient als Modellstadt, andere Kommunen sollen ausdrücklich zum Nachmachen animiert werden. Ins Leben gerufen wurde das Projekt von Moritz Herrmann, Vorstandsmitglied im KVFB.


KVFB zeigt SPIN-OFF im ehemaligen Novum

spin-off (Jens Ertelt I Tobias Krämer I Lars Schwabe I Jan Trinkaus)

 

Ein Seil bewegt sich, angetrieben durch einen Motor, vertikal um die eigene Achse. Die rhythmischen Bewegungsmuster erinnern an einen Tänzer, dessen Schritte keiner erkennbaren Choreografie folgen, sondern sich spontan und unkontrolliert im Raum entfalten. Vor den Augen des Betrachters entstehen Kurven, Schleifen und andere Formen, die sich jedoch gleich wieder aufzulösen beginnen, sobald man versucht, sie genauer zu fassen.

 

Die Skulptur von Tobias Krämer ist Teil der Ausstellung „spin-off“, die vom 22. Juli bis zum 20. August in den Räumlichkeiten des ehemaligen Café Novum in Friedberg zu sehen ist. Die Ausstellung präsentiert aktuelle Arbeiten von vier jungen Künstlern aus Offenbach und Eschwege: Jens Ertelt, Tobias Krämer, Lars Schwabe und Jan Trinkaus.

 

Inhaltlich nehmen die Arbeiten ihren Ausgangspunkt in bildnerischen Prozessen, welche die Grenzen des jeweiligen Mediums ausloten und Fragen nach Regelhaftigkeit und Abweichung in ästhetischen Prozessen aufwerfen.

 

Letzteres zeigt sich besonders im Werk von Jan Trinkaus. Der Künstler interessiert sich für Themenfelder der Informationsverarbeitung und Kommunikation. Seine Bilder basieren auf quasi-algorithmischen Strukturen, selbst gesetzten Regeln, die für jede Werkreihe neu festgelegt und intuitiv im Prozess des Zeichnens (weiter-)entwickelt werden.

 

Auf zwei großformatigen Leinwänden zeichnen sich scheinbar ungegenständliche Formen ab – es sind Spuren von Alltagsbeobachtungen, die der Künstler Lars Schwabe fotografisch festhält und anschließend am Computer nachbearbeitet, bevor er sie in einem malerischen Prozess auf die Leinwand überträgt. Am Ende dieses Prozesses stehen malerische Setzungen, die ihren Ursprung nur noch erahnen lassen.

 

Das Uneindeutige, oder wie er es formuliert das „Weder/Noch des ästhetischen Produkts“ ist auch Ausgangspunkt für die künstlerische Praxis von Jens Ertelt. Seine Arbeiten realisiert der Künstler in unterschiedlichen Formen, wobei er die Grenzen zwischen Medien wie Zeichnung, Malerei und Skulptur bewusst verschwimmen lässt und die Wahrnehmung des Betrachters spielerisch herausfordert: „Das Wahrnehmen will den Dingen Namen geben, allerdings wird hier Form nicht als festgeschrieben verstanden, sondern als zeitgebunden und veränderbar.“

 

Novum, Schnurgasse 2, 61169 Friedberg (Hessen)

Ausstellung: 22. Jul.-20. Aug. 2023, Fr.-So, 14-18 Uhr

Kuratiert von: Kim-André Schulz (Ko-Konzeption: Jens Ertelt)


KVFB und Galerie Hoffmann präsentieren Jan Daniel Fritz

Es sind Hunderte Quadrate, die da auf den Betrachter zufliegen, pulsieren, sich zu neuen, größeren Quadraten zusammenfügen. Die Videoinstallation füllt das gesamte Schaufenster, ist selbst aus der Ferne kaum zu übersehen. Die Muster und Bewegungen haben etwas Beruhigendes, als wollten sie die Menschen, die auf dem Bürgersteig vorbeihasten, in der bevorstehenden oft hektischen Weihnachtszeit zum Innehalten aufrufen.

 

Steht eine Neueröffnung bevor, wirbt hier ein Einzelhändler eindrucksvoll um neue Kunden? Nein. So präsentieren sich die Kunstinstallationen „Der Panther“ und „Zentrale Durchdringung“ des Künstlers Jan Daniel Fritz. Sie sind ab sofort in der Friedberger Kaiserstraße 69 zu sehen, wo sich bis vor Kurzem das Geschäft „Jeans Fritz“ befand. Hinter der Installation stehen der Friedberger Kunstverein und die Galerie Hoffmann. Projektpartner sind zusammen mit der Stadt auch die Spurenleger im Stadtmarketing-Verkehrsverein Friedberg.

 

Es ist Kunst auf Zeit. Kostenlos einsehbar, erlebbar. Aber (hoffentlich) endlich. Das ist die Idee: Künstler gestalten leer stehende Gewerbeflächen in Friedberg mit dem Ziel, die Stadt bis zur erneuten Vermietung der bespielten Flächen attraktiver, bunter – und damit für Bewohner*innen und Gäste der Stadt lebenswerter zu machen. „Wir begrüßen sehr das aufkeimende aktive Leerstandsmanagement der Stadt – hin zu einem schöneren Friedberg. Die Kunst möchte nicht anstelle eines Geschäfts oder Gewerbes oder gar damit in Konkurrenz treten, sondern die Zeit kreativ überbrücken, bis die Ladenfläche wieder vermietet wird. Wir sind hier absolut auf das Entgegenkommen der Eigentümer angewiesen und haben mit Jürgen Schäfer einen tollen Partner gefunden“, erklärt Moritz Herrmann, der für das Leerstandsmanagement im Kunstverein Friedberg verantwortlich zeichnet.

 

Bei den Installationen in dem seit einigen Wochen leer stehenden Geschäft in der Kaiserstraße 69 handelt es sich um zwei sich abwechselnden Videoinstallationen von Jan Daniel Fritz. „Der Panther“ basiert auf einer Kunst-KI, einem „Artificial Art Intelligence“ genannten Algorithmus, der selbstständig Kunst kreiert. Unterlegt von einem Rilke-Gedicht streift der Panther hinter einem Barcode, der als Gitterstäbe dient, unablässig durch das Schaufenster. „Ziel ist es, einen Kommentar zur allgemeinen Befangenheit im Umgang mit künstlicher Intelligenz und Digitalisierung zu machen und vor den Risiken zu warnen“, erklärt Fritz. Die zweite Installation „Zentrale Durchdringung“, die im Wechsel mit „Der Panther“ zu sehen ist, ist ein „Rework“ alter Gemälde von 1966 mit gleichnamigem Titel von Fritz‘ Vater Kunibert. „Sein Thema ist seit 65 Jahren die Quadratur des Quadrats. Das Quadrat als Elementarteilchen eröffnet uns eine Reise in einen kontemplativen Zustand.“ Die beiden Installationen sind ab Samstag, dem 20.11.2021, ab 19 Uhr für jeden frei zugänglich und sichtbar.

Moritz Herrmann (links im Bild) neben Jan Daniel Fritz
Moritz Herrmann (links im Bild) neben Jan Daniel Fritz

Kunst füllt Friedberger Leerstand

Wie lässt sich vorübergehender Leerstand in der Friedberger Innenstadt ansprechend mit Leben füllen? Dieser Frage haben sich die Stadt Friedberg und der Kunstverein Friedberg in einem gemeinschaftlichen Projekt gewidmet. 

 

Zur Tat konnte vor wenigen Wochen geschritten werden, als der Laden auf der Kaiserstraße 117, in dem sich lange Jahre das TUI ReiseCenter Friedberg befunden hat, für dieses Projekt zur Verfügung stand. Nachdem die Idee beim Inhaber der Immobilie auf offene Ohren gestoßen war, haben Wiebke Kirchner-Cherubim und Joachim Albert, Vorstandsmitglieder des Kunstvereins, mit der Umsetzung einer kleinen Plakatinstallation begonnen. Gezeigt wurden verschiedene Ausstellungsplakate aus den vergangenen Jahren, um so einen kleinen Einblick in die Ausstellungen des Kunstvereins zu gewähren. Der Kunstverein widmet sich seit 1976 der Präsentation und Vermittlung zeitgenössischer Positionen.

 

Merle Ljungh, Amt für Stadtentwicklung, Liegenschaften und Rechtswesen der Stadt Friedberg, die die Kooperation seitens der Stadt ins Leben gerufen hat, ist froh über diese Nutzungsmöglichkeiten: „Es ist wichtig, aktives Leerstandsmanagement zu betreiben. In Zusammenarbeit mit den Hausbesitzern kann so die Zeit bis zur Neuvermietung attraktiv und ohne großen finanziellen und materiellen Aufwand genutzt werden.“, erklärt Ljungh.

 

Begrüßt und unterstützt wird die Kooperation auch von Moritz Herrmann, aktives Mitglied im Kunstverein Friedberg: „Unsere Idee ist einfach: Der Kunstverein und Künstler gestalten leer stehende Gewerbeflächen mit dem Ziel, die Stadt bis zur erneuten Vermietung der von uns bespielten Flächen ein kleines bisschen bunter und für die Bewohner lebenswerter zu machen. Damit verbinden wir sowohl einen kulturellen als auch einen sozialen Anspruch: Leerstand ist eine Chance, kein Problem.“

 

Es war nicht das erste Mal, dass der Kunstverein auf seine Arbeit im Kontext vorübergehenden Leerstands aufmerksam machen konnte. Bereits im Jahr 2009 wurden – damals initiiert durch den Verein Stadt­­marketing Friedberg e.V. und Frau Lauer-Schmaltz, ehemalige Geschäfts­führerin des Vereins – in der Schirngasse Arbeiten der mittlerweile verstorbenen Wetterauer Künstler Helmut Kögler (Bildhauer) und Alf Seckel (Maler) gezeigt. 

 

Die Idee besteht darin, durch Geschäftsaufgabe leer stehende Ladenlokale und deren Schaufenster in der Stadt zu nutzen, indem interessierten Institutionen Gelegenheit zu einer Präsentation angeboten wurde. Der Kunstverein hatte diese Gelegenheit beim Schopfe gepackt. „Zwischenlösungen mit Kunst und Kultur sind eine wunderbare Präsentationsmöglichkeit. Weg von packpapierverklebten Fenstern, hin zu mobilen Kunsträumen auf Zeit.“, so Joachim Albert über die Möglichkeit, Leerstand mit Kunst zu beseelen.

 

Leider oder zum Glück ist das Ladengeschäft auf der Kaiserstraße 117 bereits neu vermietet, sodass die kleine Plakatinstallation wieder ausziehen muss, jedoch haben Stadt Friedberg und Kunstverein Friedberg bereits den nächsten Kunst-Tatort ausfindig gemacht – das Ladenlokal auf der Kaiserstraße 69. Mehr wird hoffentlich folgen – so der Konsens aller Beteiligten.