Mit der Ausstellung passages und in Zusammenarbeit mit der Galerie am Dom (Wetzlar, Bad Nauheim) ermöglichte der KVFB von Dezember 20 bis Ende März 21 eine Reise durch das vielschichtige, oftmals von historischen Momenten oder der Liebe zur Poesie affizierte grafische Werk des US-amerikanischen Künstlers Julian Schnabel (*1951, New York), das im Zeitraum 1991 – 2018 entstanden ist.
Gezeigt wurden neben Werken aus den 90er Jahren neuere Arbeiten aus den Jahren 2016 – 2018 wie die Arbeit Happy Thursday, in der sich Schnabel mit seinem Motiv vom Brandenburger Tor auf die deutsche Wiedervereinigung bezieht, oder Arbeiten aus der Serie Childhood, die anlässlich des Jubiläums ‚240 Jahre amerikanische Unabhängigkeit‘ entstanden ist und sich mit der Geburtsstunde der Vereinigten Staaten auseinandersetzt.
Die Vorliebe des internationalen Topstars für das Poetische lässt sich nicht nur an seinen preisgekrönten Filmen ablesen, sondern wird auch in seinen Bildern spürbar, etwa in der Serie Walt Whitman, eine Hommage an den amerikanischen Dichter und Pantheisten.
Das künstlerische Werk von Julian Schnabel, der als einer der bedeutendsten amerikanischen Künstler der Gegenwart bezeichnet werden kann, ebenso als renommierter Filmemacher (1996: Basquiat; 2018: Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit), ist im Bereich des amerikanischen Neoexpressionismus verortet. Diese Gattung zeichnet sich durch einen figurativen Malstil in expressiver Farbigkeit aus, was die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten mit ihrer Intensität an Farbe und den gestischen Übermalungen anschaulich vermittelt haben.
Schnabels Werke sind in namhaften Museen und privaten Kunstsammlungen auf der ganzen Welt vertreten. Seine Kunst ist gerade auch im Rhein-Main-Gebiet durch sein Gemälde Ahab, das seit 2010 im Foyer des Frankfurter Opernturms hängt, oder die Einzelausstellung Julian Schnabel – Malerei 1978 - 2003, die 2004 in der Frankfurter Schirn zu sehen war, bekannt.
Über Happy Thursday
Der von Hand signierte Pigmentdruck „Happy Thursday“ wurde der Öffentlichkeit erstmals im Juni 2018 in einer Sonderausgabe der BILD zum Thema Heimat vorgestellt. Wenngleich der Künstler keine direkte Verbindung zum Brandenburger Tor hat, so war ihm diese Arbeit wichtig. „Es geht in diesem Moment um Deutschlands Einheit. Das hat natürlich mit Freiheit zu tun. Es war ein wichtiger Moment in der Geschichte Deutschlands und der Welt. Es ist ein Meer der Freude und Einheit. Darum ging es in diesem Moment.“, erklärt Schnabel in einem Interview, das mit ihm im Rahmen der Ausgabe geführt wurde. Für Julian Schnabel, dessen Name auf seinen aus Preußen (dem heutigen Tschechien) stammenden Vater zurückgeht, ist Heimat etwas, das er mit vielem in Verbindung bringt. Er bezeichnet sich als Mann ohne Flagge. „(…) Manchmal empfinde ich Paris als Heimat, manchmal New York City, manchmal das Meer. Es gibt Momente, da ist ein Kunstwerk meine Heimat (…)“, äußert er sich in dem Interview weiter.
Über die Boards
Eine weitere Serie, die in der Ausstellung gezeigt wird, besteht aus an alte Schultafeln erinnernde „Boards“ mit Abbildungen vom Kölner Dom, dem Siebengebirge oder einer Ritterburg. Ausgangspunkt seiner Überarbeitungen bilden dabei originale Schulwandbilder aus dem späten 19. Jahrhundert, wie sie ursprünglich für Lehrzwecke bis in die 1950er Jahre hergestellt wurden und an Schulen Verwendung fanden.
Auffällig hier ist das für den Neoexpressionismus typisch Gestisch-Expressive in seiner Pinselführung, sowie die Schnabel eigene Verwendung besonderer Techniken und Materialien. So hat den Farbabdruck ein in Farbe getränktes Tuch auf der Bildoberfläche hinterlassen. Das Besondere an dieser Serie ist die Paarung aus altmeisterlicher und zeitgenössischer Malerei, aus Figuration und Abstraktion, aus Farbgebungen etwa durch Sepia oder strahlend leuchtendes Pink und Violett und die spannungsgeladene Komposition, die damit hervorgerufen wird.
Dem Rheinland ist ebenfalls eine Arbeit aus dieser Serie gewidmet. Sie zeigt das Siebengebirge mit dem berühmten Drachenfels. Schnabel verleiht diesem durch seine Übermalung eine zeitgenössische, künstlerische Dimension, in der Zitat und Interpretation einander komplementieren.
Über Walt Whitman
Die Vorliebe des internationalen Topstars für das Poetische lässt sich nicht nur an seinen preisgekrönten Filmen ablesen, sondern wird auch in seinen Bildern spürbar, etwa in der Serie „Walt Whitman“, eine Hommage an den amerikanischen Dichter und Pantheisten. Dessen weltberühmte Gedichte über den amerikanischen Bürgerkrieg zählen bis heute zu den einflussreichsten literarischen Werken der USA und zeichnen sich durch eine demokratische sowie natur- und volksverbundene Geisteshaltung aus. Whitman, der als einer der Begründer der modernen amerikanischen Lyrik gilt, weist darüber hinaus eine Nähe zum Transzendentalismus auf, der in Schnabels Hommage an ihn ebenso künstlerisch zum Ausdruck kommt wie seine Naturverbundenheit.
Implizieren bereits die Untertitel der Arbeiten wie ‚frozen lake‘ oder ‚waterfall‘, dass sie im Kontext des Natürlichen angesiedelt sind, so wird der Aspekt des Pantheistischen durch die zahlreichen an Naturmomente erinnernde Bildelemente deutlich transportiert.
Über Nemo Librizzi
Von Nemo Librizzi, einem New Yorker Filmemacher, kann sicherlich gesagt werden, dass sein Weg inspiriert war von der Zusammenarbeit mit Filmemachern wie Jim Jarmusch und Julian Schnabel. Eine seiner bekannten Dokumentationen ,Lay Down Old Man‘ behandelt anhand der Straßengangs Crips und Bloods die Gewalt auf den Straßen von Los Angeles.
Über Jose Luis Ferrer
Jose Luis Ferrer hat in zahlreichen Filmen gespielt, nachdem er zunächst in Paris und New York gelebt, studiert und gearbeitet hat. Filme, in denen Ferrer vertreten war, sind unter anderem The man who killed Don Quixote (2018) oder die Schnabel-Verfilmung über die Künstler-Legende Basquiat aus dem Jahr 1996.
Wie kann man Kunst in Zeiten des Lockdown auch jenseits digitaler Möglichkeiten vermitteln? Diese Frage hat uns im Rahmen der Ausstellung ‚passages‘ mit Arbeiten von Julian Schnabel, die von Dezember 20 bis März 21 im KVFB zu sehen war, zu einem neuen Konzept gebracht. Gemeinsam mit unserem Techniker Horst Weber (Eurosound) haben wir ein Lichtkonzept entwickelt und die von den Straßenseiten aus einsehbaren Arbeiten von Mitte Dezember bis Ende Februar mit farbigem Licht inszeniertet.
Unter dem Titel ‚peeking Julian Schnabel‘ konnten Passant*innen auf diese Weise -dem Motto des Ausstellungskonzepts gemäß- Einblicke in das grafische Werk des internationalen Topstars erspähen. In den Fenstern aufgebrachte QR-Codes leiteten Interessierte weiter auf diese Internetseite des KVFB, auf der sich weitere Informationen zur Ausstellung befinden.
Gefördert wurde das Lichtkonzept von der OVAG (Oberhessische Versorgungsbetriebe AG).